30 September 2005

Unsere tiefste Angst

Unsere tiefste Angst ist nicht, dass wir unzulänglich sind.
Unsere tiefste Angst ist, dass wir unermesslich machtvoll sind.

Es ist unser Licht, das wir fürchten, nicht unsere Dunkelheit.
Wir fragen uns: "Wer bin ich denn eigentlich,
dass ich leuchtend, hinreißend,
begnadet und phantastisch sein darf?"

Wer bist du denn es nicht zu sein?
Du bist ein Kind Gottes.
Wenn du dich klein machst, dient das der Welt nicht.
Es hat nichts mit Erleuchtung zu tun, wenn du dich klein machst,
damit andere um dich herum sich nicht verunsichert fühlen.

Wir wurden geboren, um die Herrlichkeit Gottes zu verwirklichen, die in uns ist. Sie ist nicht nur in einigen von uns; sie ist in jedem Menschen.
Wenn wir unser eigenes Licht erstrahlen lassen, geben wir unbewusst anderen Menschen die Erlaubnis, dasselbe zu tun.
Wenn wir uns von unserer eigenen Angst befreit haben, wird unsere Gegenwart automatisch auch andere befreien.

Marianne Williamson (*1952)

Übrigens: fälschlicherweise wird dieser Text häufig Nelson Mandela zugeschrieben, weil er ihn 1994 in seiner Antrittsrede zum Amt des südafrikanischen Staatspräsidenten verwendet haben soll.

29 September 2005

Das lautere Herz erwecken

Die Praxis des Sitzens in Meditation ... ist das Mittel, mit dem wir das Gutsein wiederentdecken und überdies das lautere Herz in uns erwecken können. In dieser Haltung bist du dieser nackte Mensch, der zwischen Himmel und Erde sitzt. Wenn dein Rücken einsinkt, versucht du dein Herz zu schützen oder gar zu verbergen. Aber wenn du aufrecht und trotzdem entspannt sitzt, dann ist dein Herz nackt. Dein ganzes Sein ist bloßgelegt, vor allem vor dir selbst, aber auch vor anderen. Beim stillen Sitzen, in dem du dem Atem folgst, wie er ausströmt und verfliegt, stellst du die Verbindung zu deinem Herzen her.

Chögyam Trungpa (1939-1987)

28 September 2005

Im Niemandsland

Ganz und gar lebendig zu sein, ganz und gar Mensch und wirklich wach zu sein, bedeutet, unaufhörlich aus dem Nest geworfen zu werden. Voll und ganz zu leben bedeutet, sich ständig im Niemandsland zu befinden, jeden Augenblick völlig neu und frisch zu erleben. Wahres Leben ist die Bereitschaft, immer wieder aufs neue zu sterben. Das ist Leben vom Standpunkt des Erwachens. Tod hingegen ist der Wunsch, an dem, was man hat, festzuhalten und sich von jeder Erfahrung bestätigen und auf die Schulter klopfen zu lassen, weil man alles so schön im Griff hat.

Pema Chödrön (*1936)

27 September 2005

Unendliches "Ich Bin"

Wenn ich zu den Tiefen meiner eigenen Existenz
und meiner eigenen derzeitigen Realität vordringe,
dem undefinierbaren "Bin", das mein Selbst
in seinen tiefsten Verwurzelungen darstellt
und dann durch diese tiefe Mitte dringe,
dann befinde ich mich im unendlichen "Ich Bin",
welches der Name Gottes ist.

Thomas Merton (1915–1968)

26 September 2005

Ganz Hier und Jetzt

Ein indischer Mönch hatte sich zwanzig Jahre lang völlig zurückgezogen. Während der ganzen Zeit hatte er auf einem Berg meditiert. Als er nach dieser langen Zeitspanne zurückkehrte, wurde er freudig begrüßt. Wissbegierig fragten ihn alle möglichen Menschen, was er denn in der Meditation erfahren habe. Er antwortete ihnen kurz und knapp:

„Wunderbares,
und manchmal gelingt es mir jetzt schon,
mit meinem Geist da zu sein,
wo mein Hintern sitzt.“

25 September 2005

Was Gott ist

Wo sieht man Gott? Wo nicht Gestern noch Morgen ist, wo ein Heute ist und Jetzt, da sieht man Gott.
Was ist Gott? Ein Meister spricht: Wenn das notwendig sein muss, dass ich von Gott rede, so sage ich, dass Gott etwas ist, was kein Sinn begreifen oder erlangen kann: sonst weiß ich nichts von ihm.
Ein anderer Meister sagt: Wer das von Gott erkennt, dass er unbekannt ist, der erkennt Gott.

Wenn ich in Paris predige, so sage ich und darf es wohl sagen: Alle hier in Paris können mit all ihrer Wissenschaft nicht begreifen, was Gott in der geringsten Kreatur, auch nur in einer Mücke, ist. Aber ich sage jetzt: Die ganze Welt kann es nicht begreifen. Alles was man von Gott denken kann, das ist Gott ganz und gar nicht. Was Gott an sich selbst ist, dazu kann niemand kommen, der nicht in ein Licht entrückt wird, das Gott selbst ist. Was Gott den Engeln ist, das ist gar fern, und niemand weiß es. Was Gott in einer Gott liebenden Seele ist, das weiß niemand als die Seele, in der er ist. Was Gott in diesen niederen Dingen ist, das weiß ich ein wenig, aber sehr schwach.

Meister Eckhart (1260-1327)

24 September 2005

Wesen und Erkenntnis

Erkenntnis kommt von Vergleichen. Weil also die Seele eine Möglichkeit hat, alle Dinge zu erkennen, darum ruht sie nimmer, bis sie in das erste Bild kommt, wo alle Dinge eins sind, und da ruht sie, das ist in Gott.
In Gott ist keine Kreatur von anderem Rang als die andere. Die Meister sagen: Wesen und Erkenntnis sind ein und dasselbe.

Meister Eckhart (1260-1327)

23 September 2005

Welt ist geistiges Ding

In seinem Tao Te King schreibt Laotse (4. - 3. Jh. v.u.Z.):

Die Welt erobern und behandeln wollen,
ich habe erlebt, daß das mißlingt.

Die Welt ist ein geistiges Ding,
das man nicht behandeln darf.

Wer sie behandelt, verdirbt sie,
wer sie festhalten will, verliert sie.

Die Dinge gehen bald voran, bald folgen sie,
bald hauchen sie warm, bald blasen sie kalt,
bald sind sie stark, bald sind sie dünn,
bald schwimmen sie oben, bald stürzen sie.

Darum meidet der Berufene
das Zusehr, das Zuviel, das Zugroß.

22 September 2005

Wir sind, was wir denken

Buddha, der etwa 560 v. u. Z. geboren wurde, schrieb im "Dhammapada":

Wir sind, was wir denken.
Alles, was wir sind, entsteht mit unserem Denken.
Mit unseren Gedanken erschaffen wir die Welt.
Sprich und handle mit unreinem Geist,
Und Ungemach wird dir folgen
Wie das Rad dem Ochsen folgt,
der den Karren zieht.

Wir sind, was wir denken.
Alles, was wir sind,
entsteht mit unserem Denken.
Mit unseren Gedanken erschaffen wir die Welt.
Sprich oder handle mit reinem Geist,
Und Beglücktheit wird dir folgen,
Wie dein Schatten, unerschütterlich.

20 September 2005

Stille

Wenn wir bereit sind, auf die Stille selbst zu hören
und nicht nur auf das, was in ihr erscheint,
wenn wir uns des unendlichen Raums bewusst bleiben
und nicht nur die Phänomene des Innen und Außenwahrnehmen,
die allesamt vergänglich,
allesamt leer an eigener Substanz sind,
dann stehen wir in Staunen und Ehrfurcht da
und erkennen uns als das,
was immer ungetrennt war von der Unendlichkeit,
von der Liebe,
vom reinen Bewusst-Sein,
von der wahren Natur des Geistes.

Pyar (*1960)

Gelassenheit, Mut, Weisheit

Als "Gelassenheitsspruch" ist jenes "Serenity Prayer" bekannt, das der deutsch-amerikanische protestantische Theologe Reinhold Niebuhr 1926 schrieb. Er hat sich dabei an einem Vers aus dem Buch Hiob (11,6) orientiert.
Oft wird es zitiert mit dem Namen des protestantischen schwäbischen Theologen Friedrich Christoph Oetinger. Das jedoch nur deshalb weil der Text von Niebuhr 1951 in einem Buch des Kieler Religionspädagogen Theodor Wilhelm erschien, der es unter dem Pseudonym Friedrich Oetinger publizierte.

Gott gebe mir
die Gelassenheit, Dinge hinzunehmen, die ich nicht ändern kann,
den Mut, Dinge zu ändern, die ich ändern kann,
und die Weisheit, das eine vom anderen zu unterscheiden.

19 September 2005

Vom Wissen der Seele

Meister Eckhart (1260-1327) hat vom Schweigen gesprochen und davon, was dafür notwendig ist.

"Es sagt ein Meister, die Seele könne von sich kein Bild schöpfen oder abziehen. Darum kann sie sich selbst ganz und gar nicht kennen lernen.
Denn Bilder kommen alle durch die Sinne herein: daher kann sie kein Bild von sich selbst haben. Daher kennt sie alle andern Dinge, nur sich selber nicht. Von keinem Ding weiss sie so wenig, wie von sich selbst, um des Mittels willen.
Und das müsset ich auch wissen, dass sie innen frei ist, und ohne alle Mittel und Bilder auskommt, und das ist auch die Ursache, dass sich Gott frei mit ihr vereinigen kann ohne Bilder oder Gleichnisse."

18 September 2005

Zuckererbsen für jedermann

In seinem Gedichtzyklus Deutschland - ein Wintermärchen schreibt Heinrich Heine (1797 - 1856) nicht nur von jenen, die heimlich Wein trinken und öffentlich Wasser predigen. Er formuliert ironisch seine konkrete Utopie:


Es wächst hienieden Brot genug

Für alle Menschenkinder,

Auch Rosen und Myrten, Schönheit und Lust,

Und Zuckererbsen nicht minder.


Ja, Zuckererbsen für jedermann,

Sobald die Schoten platzen!

Den Himmel überlassen wir

Den Engeln und den Spatzen.

17 September 2005

Georg Weerth: Das Hungerlied

Nein, vergleichen kann man die gegenwärtigen Zustände mit denen in der Mitte des 19. Jahrhunderts nicht, als der nachfolgende Text von Georg Weerth entstand. Sich daran zu erinnern, lohnt aber schon.
Weerth gehörte zur "Neuen Rheinischen Zeitung" in Köln, die Karl Marx 1848/49 leitete. Er war auch einer der Autoren des deutschen "Vormärz", die radikaler und theoretischer als das "Junge Deutschland" formulierte, zu dem beispielsweise Heinrich Heine gehörte.


Verehrter Herr und König,
Weißt du die schlimme Geschicht?
Am Montag aßen wir wenig,
Und am Dienstag aßen wir nicht.

Und am Mittwoch mußten wir darben,
Und am Donnerstag litten wir Not;
Und ach, am Freitag starben
Wir fast den Hungertod!


Drum laß am Samstag backen
Das Brot, fein säuberlich -
Sonst werden wir sonntags packen
Und fressen, o König, dich!

16 September 2005

Vier simple Tatsachen

Pyar (*1960) ist eine spirituelle Lehrerin unserer Tage. Von manchen wird sie als Mystikerin bezeichnet. Sie schreibt:

"Viel Blödsinn würde auf diesem Planeten nicht passieren, wenn wir uns dieser vier simplen Tatsachen bewusst wären:

Die Kostbarkeit der Existenz und der menschlichen Geburt,
die Vergänglichkeit,
das Gesetz von Ursache und Wirkung
und die Leidhaftigkeit des Lebens in Samsara."

15 September 2005

Urstand des Ich

Von Ramana Maharshi (1879-1950) stammt das nachfolgende Zitat:

"Wie ein Taucher, der finden will, was ins Wasser fiel,
musst du gesammelten Gemütes einwärts tauchen,
musst Atem, Rede und jede Regung hemmen,
um die Stätte zu finden,
aus der das Ich,
das aufsteigt,
seinen Urstand nimmt."

14 September 2005

Achtsamkeit und Bewußtheit

Von einem tibetischen Gebet, das die Präsenz des Meisters im Herzen anrufen soll, berichtet Sogyal Rinpoche in seinem "Tibetischen Totenbuch vom Leben und vom Sterben". In dem Gebet von Jikme Lingpa (1729-1798), heißt es:

"Aus dem blühenden Lotos der Hingabe inmitten meines Herzens, erhebe dich,
Meister voller Mitgefühl, meine einzige Zuflucht!
Vergangene Taten und stürmische Gefühle verfolgen und plagen mich:
Um mir in meinem Unglück beizustehen,
verweile als Juwelenschmuck auf dem Scheitel meines Kopfes, dem Mandala großer Glückseligkeit,
und erwecke meine ganze Achtsamkeit und Bewußtheit.

Darum bitte ich."

13 September 2005

Letzte Wahrheit ist schweigenden Leere

In seinem sehr klaren und ausdrucksstarken Buch "Alle Menschen sind Buddha - Der Weg des Zen" schreibt der Berliner Politologe und Yoga-Lehrer Hans-Peter Hempel:

"Unsere 'letzte Wahrheit' ist die(se) schweigende Leere, wir können auch sagen: das Urschweigen. Aus diesem Urschweigen erwachsen uns alle Klänge, Gedanken, Bilder und Träume; mit anderen Worten: aus dem völligen Ausgeleertsein; vorher nicht.
Was folgt daraus? Uns in jedem Augenblick leer zu machen (und uns auch nicht gleich wieder an dieses 'Leere' zu binden). Das heißt: sich völlig zu entspannen und sich dabei immer wieder der Tatsache bewusst zu werden, dass die stille Leere unsere Wirklichkeit ist, so dass im Blick etwa auf unseren Atemrhytmus sowohl dem Ein-atmen als auch dem Aus-atmen jeweils die schweigende Leere, die Pause, folgt."

12 September 2005

Den Schleier des Nichtwissens auflösen

Hier noch einmal ein Gedanke von Ramana Maharshi (1879-1950). Er zeigt, wie weit das Erkennen die Lebenswirklichkeit des Menschen verändern kann :

Kraft langanhaltender ständiger Übung der Meditation über das Selbst: "ich bin das Höchste Wesen" löst sich der Schleier des Nichtwissens im Herz auf und mit ihm alle Hemmnisse in seinem Gefolge, und vollkommene Weisheit stellt sich ein.
Erkennst du so, dass das Wirkliche dir in der Höhle des Herzens wohnt, im Altarschrein des Leibes, so erlebst du wahrhaftig die Wirklichkeit des Unbedingten, das allem innewohnt, denn Leib und Herz umschließen alles was ist.

11 September 2005

Vom Spiel der Energie

Zur Zeit ist Guruji Mohan (* 1954) in Deutschland. Er verkündet nach eigenen Aussagen keine Lehre, keine Religion. Er will die Menschen frei machen und unabhängigvon Beeinflussungen und Konditionierungen. Die mitunter undogmatische Denkweisen können es Menschen ermöglichen, verkrustete Strukturen zu erkennen und zu durchbrechen.

In einem Vortrag hat Guruji 1998 gesagt:

"Jeder, der sich über das Spiel der Energie bewußt ist, kann sich dieser Quelle bedienen. Ich bin nicht mit dieser Gabe geboren worden, ich habe diese Fähigkeit durch einen Lehrer erreicht und sie danach lange weiterentwickelt. Und ich habe mich selber erkannt und diese Arbeit für viele viele Menschen getan...
Aber ich möchte keine große Show daraus machen, ich möchte meine Arbeit nicht kommerzialisieren, nicht auf den 'esoterischen Markt' bringen.
Es ist Energie, die ich für das Wohlergehen der Menschheit nutzen kann, aber ich mache mich nicht zu jemand besonderem, der verkündet, er könne diese Dinge lehren usw.
Mein Weg ist es, den Menschen zu helfen - mehr nicht."

10 September 2005

Kraft der bloßen Gottheit

"Gott fließt in sich selbst zurück, so daß er aller Kreaturen so wenig achtet, als er tat, da sie nicht waren," schreibt Meister Eckhart (1260-1327). Seine "Mystischen Schriften" hat Gustav Landauer sprachlich in neue Worte gefasst, Martin Buber hat sie 1920 noch einmal bearbeitet.
Im Text "Die Seele auf der Suche nach Gott" heißt es weiter: "So soll auch die Seele tun. Sie soll mit dem Menschtum die Person des Sohns begreifen, und mit der Person des Sohns den Vater, und den heiligen Geist in ihnen beiden, und sie beide in dem heiligen Geist, und soll mit der Person des Vaters das einfache Wesen begreifen und mit dem Wesen den Abgrund und soll in den Abgrund versinken ohne Materie und Form.

Materie, Form, Verstand und Wesen hat sie in der Einheit verloren, denn sie ist an sich selbst zunichte geworden: Gott wirkt alle ihre Werke, er hält sie in seinem Wesen und führt sie in seiner Kraft in die bloße Gottheit. Da fließt sie mit der Gottheit in all das, worin Gott fließt. "

09 September 2005

Tauler: In die Einheit geführt

Der Theologe und Mystiker Johannes Tauler (1300 - 1361) war Schüler von Meister Eckhart. Er beeinflusste den Reformator Martin Luther ebenso wie seinen Gegenspieler Thomas Münzer, der im Bauernkrieg eine große Rolle spielte. In einer Predigt von Tauler zum Johannes-Evangelium (7,37) sagt er:

Da wird dann der Geist über alle Kräfte in eine wüste Wildnis gezogen, von der niemand sprechen kann, in die verborgene Finsternis des weiselosen Gutes.
Da wird der Geist nahe hineingeführt in die Einheit, in die einfache, weiselose Einheit, wo er allen Unterschied verliert und frei wird vom Gegenständlichen und Empfindlichen, denn in der Einheit verliert man alle Mannigfaltigkeit und die Einheit eint alle Mannigfaltigkeiten.

Wenn so die Menschen zu sich selber kommen, so haben sie schöne, wonnige Unterscheidung, wie sie nur jemand haben kann, von allen Dingen, eine Unterscheidung, die in der Einfaltigkeit und Einheit entstanden ist, eine klare wahre Unterscheidung...
Niemand versteht besser die wahre Unterscheidung als die, die in die Einheit geraten sind. Das ist und heißt eine unbegreiflich wilde Wüste, in der niemand Weg und Weise findet, denn es ist über alle Weise.

08 September 2005

Jeder ist Erbe der ganzen Welt

In seinem Buch "Der westliche und der östliche Weg" hat D.T. Suzuki 1957 Essays über christliche und buddhistische Mystik veröffentlicht. Und er zitiert darin Thomas Traherne (1636 - 1674), um deutlich zu machen, dass die Vorstellung der Zweiheit auf der Vorstellung von Einheit gründet. Suzuki: "Zweiheit kann ohne Einheit nicht begriffen werden." Deutlicher wird Traherne, der in seinen "Centuries of Meditations" schrieb:

"Niemals wirst du dich der Welt recht erfreuen, ehe nicht die See selbst in deinen Adern fließt, dich der Himmel umhüllt und die Sterne dich krönen.
Und betrachte dich als den einzigen Erben der ganzen Welt - und mehr als das, denn Menschen sind in ihr, von denen jeder einzelne einziger Erbe ist, genau wie du."

07 September 2005

Das Herz ist immer offen

In einem Gespräch mit Schülern berichtete Ramana Maharshi (1879-1950) von seinem Rat: Erkenne dich selbst.
Und er erzählte ihnen von einer Schrift über die "Quintessenz der achtgliedrigen Wissenschaft", die er gefunden hat. Darin heißt es, dass die "Stätte der Lebenskraft" auf der rechten Seite der Brust liegt. Dort sei die "Stätte des Bewusstseins, des Sichselbergewahrseins".
Auf die Frage eines Schülers, ob es sicher sei, dass "die Alten diese Stätte als 'Herz' bezeichneten" antwortete Ramana:
"Ja, das taten sie. - Aber du solltest lieber versuchen, diese Erfahrung zu haben, als sie irgendwo mit deiner Vorstellung zu suchen. Niemand braucht zu suchen, wo seine Augen sitzen, wenn er sehen will. Das 'Herz' ist immer offen, wenn du wirklich hinein willst; es trägt alle Regungen und Bewegungen in dir, ohne dass du dessen gewahr wirst. Vielleicht sollte man lieber sagen: das Selbst ist das 'Herz' selber, als dass es 'im Herzen' sei. Fürwahr, das Selbst ist die Stätte und Mitte selber. Es ist immerdar seiner selbst inne als 'Herz', als Selbstgewahrsein."

06 September 2005

Dionysius: Wie IHN preisen?

In seiner Mystischen Theologie hat Dionysius Areopagitas (5./6. Jh. u.Z.) seine Überzeugung davon niedergeschrieben, "Wie man IHN preisen soll":

"Möchten wir doch - auch wir! - in jenes Dunkel eindringen können, das heller ist als alles Licht, möchte es auch uns gelingen, auf jedes Wissen und auf jedes Erkennen zu verzichten, möchten wir doch wenigstens erkennen, daß niemand Den kennen kann, der jenseits von aller Sicht und von aller Erkenntnis bleibt.
Denn dies allein ist eine wahrhafte Sicht und eine echte Erkenntnis:
nur durch die Tatsache selbst, dass man auf alles verzichtet, was ist oder nicht ist, und sich außerhalb des Geschaffenen stellt, feiert man würdig und wahr das Unerschaffene Licht, das erschaffend stets im Unerschaffenen bleibt."

Zur Illustration dieses Gedanken nimmt er den Bildhauer, ein Zitat, das später auch Leonardo da Vinci (1452 - 1519) aufgreift:

"So etwa wie ein Bidhauer, um zu einer Wesensgestaltung zu gelangen, mit Hammer und Händen den Marmor von aller Materie reinigen muss, die dem reinen Anschauen der in ihm noch gänzlich verborgenen Form im Wege stünde: unsere einzige ausführbare Tat ist das Wegräumen solcher materieller Hindernisse! Nur dies negative Aberkennen kann uns erlauben, die verhüllte Schönheit des unbekannten Bildes zu offenbaren."

05 September 2005

Eckhart: Vom Auge, in dem ich Gott sehe

Um noch einmal auf Meister Eckhart zurückzukommen, von dem ich bereits bei Vivekananda einen Satz zitiert hatte. Der nachfolgende Gedanke von ihm, den ich sehr eindringlich finde, kann Trennung aufheben:

Das Auge, in dem ich Gott sehe,
das ist dasselbe Auge,
darin mich Gott sieht.
Gottes Auge,
das ist ein Auge
und ein Sehen
und ein Erkennen
und ein Lieben.

Meister Eckhart (1260-1327)

04 September 2005

Wirkung und Wirklichkeit

"Religion ist eine Frage des Tuns, nicht des Redens", sagt Swami Vivekananda (1863 - 1902). "Wir müssen unsere eigene Seele analysieren und herausfinden, was sie ist. Das müssen wir verstehen und dann verwirklichen, was wir verstanden haben." Schon früher haben Mystiker dies so oder ähnlich gesagt, wie Meister Eckhart zum Beispiel. Er schrieb: "Nimm dich selber wahr und bleib bei dir".

03 September 2005

Exkurs zu Spams

In kürzester Zeit erschienen nach dem letzten Post einige automatisierte Spams als Kommentare, die ich gelöscht habe, da sowas auf dieser Seite nichts zu suchen hat. Ich danke für das Verständnis.

Für zukünftige Posts nutze ich die Möglichkeit, automatische Postings auszufiltern. Das heißt konkret:
Wer jetzt einen Kommentar (anonym oder nicht anonym) posten will, muss lediglich ein paar Zeichen manuell eingeben.

So werden Spammer hoffentlich draußen bleiben.

Vergessenes Denken

Franz von Assisi (1181 - 1226) wird ein Gebet zugeschrieben, das in seiner Radikalität von Liebe noch heute gilt.

O Herr, mach mich zu einem Werkzeug Deines Friedens,
dass ich Liebe übe, wo man sich hasst,
dass ich verzeihe, wo man sich beleidigt,
dass ich verbinde, da wo Streit ist,
dass ich die Wahrheit sage, wo Irrtum herrscht,
dass ich Glauben bringe, wo Zweifel drückt,
dass ich die Hoffnung wecke, wo Verzweiflung quält,
dass ich dein Licht anzünde, wo die Finsternis regiert,
dass ich Freude mache, wo der Kummer wohnt.

O Herr, lass du mich trachten,
nicht, dass ich getröstet werde, sondern dass ich andere tröste,
nicht, dass ich verstanden werde, sondern dass ich andere verstehe,
nicht, dass ich geliebt werde, sondern dass ich andere liebe.

Denn wer da hingibt, der empfängt,
wer sich selbst vergisst, der findet,
wer verzeiht, dem wird verziehen,
und wer da stirbt, der erwacht zum ewigen Leben.

Editorial

Sinn: eigentlich soll es heißen, dass jemand eine Fährte sucht.
Mit allen Sinnen: Hören, Riechen, Schmecken, Sehen, Tasten.

Das gilt es immer wieder neu zu deuten, zu fragen: was heißt das JETZT?

Dazu will dieser Blog einen Beitrag leisten.

Darauf freut sich

Janus