31 August 2010

Raum im Herzen

Der kleine Raum im Herzen
ist so groß
wie das riesige Weltall.

Aus den Upanishanden

30 August 2010

Weg der Seele nach innen

Es lässt sich auf mancherlei Weise erklären, was Meditation ist, was sie bewirkt, wie sie funktioniert. Mit Meditation, sagen manche, lässt sich der Entspannungsreflex auslösen. Meditation, sagen andere, schult das bewusste Gewahrsein; sie ist eine Methode der Ausrichtung und Zentrierung des Ich; sie hält das endlose verbale Denken an und entspannt Körper und Geist; sie beruhigt das Zentralnervensystem; sie mindert Stress, verleiht Selbstwertgefühl, verringert Angst und lindert Depressionen.

All das trifft zu und wurde klinisch bestätigt. Ich möchte aber hervorheben, dass Meditation an sich eine spirituelle Praxis ist und immer war. Sie mag christlich, buddhistisch, hinduistisch, taoistisch oder muslimisch sein - immer ist sie der Weg der Seele nach innen, wo sie schliesslich ihr Einssein mit dem Göttlichen findet. "Das Reich Gottes ist in euch" - und Meditation ist von ihren Ursprüngen an stets der Königsweg zu diesem Reich gewesen.  Was auch immer die Meditation also zu leisten vermag, sie ist zuerst und vor allem die Suche nach dem inneren Gott.

Ich würde sagen, dass Meditation spirituell, aber nicht unbedingt religiös ist. Spiritualität hat mit tatsächlicher Erfahrung zu tun, nicht mit blossen Glaubensinhalten; mit Gott als dem Grund des Seins, nicht mit einer kosmischen Vaterfigur; mit dem Erwachen zum wahren Selbst, nicht mit Gebeten für das kleine ich; mit Bewusstseinsschulung, nicht mit weihevollem Moralisieren über Unzucht und Völlerei; mit dem Geist, der in jedem Herzen zu finden ist, nicht mit irgend etwas, das in dieser oder jener Kirche getan wird. Kurzum, Meditation ist spirituell, Gebet - jedenfalls das Bittgebet, in dem ich um ein neues Auto oder eine Beförderung ersuche - ist religiös: Es dient nur dem kleinen Ego mit seinen endlosen Wünschen. Meditation dagegen möchte das Ego vollkommen überwinden; sie erbittet nichts von Gott, sondern bietet das Ego dar als Opfer für ein Bewusstsein höherer Art.

Das heisst auch, dass Meditation nicht dieser oder jener Religion zuzurechnen ist, sondern Bestandteil einer universalen spirituellen Kultur der Menschheit ist - ein Bemühen, Gewahrsein in alle Aspekte des Lebens zu bringen. Sie ist, anders gesagt, Teil dessen, was man philosophia perennis nennt, die "immerwährende Philosophie".

Ken Wilber (*1949)

29 August 2010

28 August 2010

Fünf Gewissheiten

I.
Es ist der natürliche Verlauf, daß ich alt werde.
Es gibt keinen Weg, dem Altern zu entgehen.

II.
Es ist der natürliche Verlauf, daß ich Krankheiten bekommen werde.
Es gibt keinen Weg, dem Krankwerden zu entgehen.

III.
Es ist der natürliche Verlauf, daß ich sterben werde.
Es gibt keinen Weg, dem Tod zu entgehen.

IV.
Es ist der natürliche Verlauf, daß alles woran ich hänge,
und alle, die mir lieb sind, sich verändern.
Es gibt keinen Weg, dem Getrenntwerden von ihnen zu entgehen.

V.
Meine Taten sind mein einzig wirkliches Erbe.
Den Folgen meiner Taten kann ich nicht entgehen.
Meine Taten sind der Boden, auf dem ich stehe.

Thich Nhat Hanh (*1926) in: Der Klang des Bodhibaums, Theseus-Verlag, 2005

27 August 2010

Du bist bereits DAS

Es gibt kein Erreichen des Selbst. Wenn das Selbst erreichbar wäre, würde das bedeuten, dass das Selbst nicht hier und jetzt ist, dass man es erst erreichen muss. Was man neu bekommt, wird man auch verlieren. Es wird also nicht von Dauer sein. Was nicht von Dauer ist, ist nicht wert, dass man danach eifert. Ich sage also: Das Selbst kann nicht erreicht werden. Du bist das Selbst, du bist bereits DAS.

Ramana Maharshi (1879-1950)

26 August 2010

Nicht dies nicht das

Der Urgrund des Alls, über alles hinaus, was Schöpfung heißt, kann nicht Stoff sein, nicht Geist, nicht Wesen, nicht Leben, nicht Bewusstsein;
nicht Körper, Figur, Form, Bild, Idee, Qualität oder Quantität oder Masse;
Er kann nicht an einem Orte mehr sein als an einem anderen, kann also nicht konturenhaft gesehen oder überhaupt durch abgrenzende Sinne oder Gedanken erfasst werden;
also kann Er auch weder Sinne erregen noch durch Sinne erregt werden, kann überhaupt nicht gestört werden, entzieht sich jeder Ordnung oder Unordnung und schon gar jedem Verstricktsein in materielle Unterscheidungen.
Kein Zufall und keine Beziehung und kein Misslingen kann Ihn je betreffen oder gar Seine Allmacht beschränken, ebenso wenig wie ein Mangel an Licht – und keine Veränderung oder Wandlung oder Entwertung, keine Vernichtung, keine Teilung, keine Entbehrung, kein Abströmen oder was sonst noch dem geschaffenen Bereich der Sinne angehört, hat je bei Ihm Statt.

Dionysius Areopagita (um 500)

Dionysius Areopagita war einer jener Vor-Denker, auf die Meister Eckhart sich berufen hat. Mehr zu ihm hier:

http://meistereckhart750.wordpress.com/

25 August 2010

Selbst erkennen

Denn, wer kommen will in Gottes Grund, in dessen Innerstes, der muss zuvor in seinen eigenen
Grund, in sein Innerstes kommen; denn niemand kann Gott erkennen, der nicht zuvor sich selbst
erkennen müsste.

Meister Eckhart (1260 - 1328)

24 August 2010

Völlige Klarheit

Auf der Suche nach der Wahrheit ist es nicht nötig, die Wahrnehmungen aufzugeben oder diesen Geist jenseits des Sehens und Hörens, des Fühlens und Erkennens zu suchen.

Hängt euch an nichts und verliert euch an nichts, so dass ihr jenseits von Festhalten und Verwerfen seid.

Überall ist diese völlige Klarheit, denn es gibt nichts, das von dieser Vollkommenheit ausgeschlossen ist.

Huang Po (um 850)

23 August 2010

Ein Fest

Wir können nichts mit Sicherheit über das Jenseits aussagen. Und das ist auch gar nicht notwendig. Ja, du hast recht, die Angst vor dem Tod lässt den Menschen sich unfrei fühlen und hindert am Leben. Doch was sind die Wurzeln dieser Angst? Es ist nicht der Tod oder das, was danach kommen mag, was die Angst verursacht. Es ist der Wunsch nach Sicherheit, der Wunsch zu wissen, dass einem nichts Schlimmes passieren kann. Aber Sicherheit gibt es nicht - nicht im Leben und nicht im Tod. Die Angst vor dem Tod und die Angst zu leben - wirklich und voll zu leben - sind Geschwister. Denn du kannst nur dann voll leben, wenn du in jedem Moment stirbst, wenn du in jedem Moment die Vergangenheit loslässt, genau wie die Zukunft. Dann erkennst du die Ewigkeit des Jetzt. Sind wir bereit, den Anspruch auf Sicherheit, die Illusion von Sicherheit aufzugeben und jedem Moment des Lebens neu und rückhaltlos zu begegnen, ihn voll zu leben - sei er angenehm oder unangenehm, und zwar mit wachem und stillem Bewusstsein, dann werden wir auch in der Lage sein, dem Tod und was auch immer danach kommen mag mit derselben Wachheit, Bewusstheit und Gelassenheit zu begegnen. Dann wird der Tod ein Fest sein, so wie das Leben ein Fest ist. Dann wird im Tod derselbe Friede herrschen wie im Leben.

Pyar Rauch (*1960)

21 August 2010

Gedanken

Mit den Gedanken
entstehen alle Dinge.
Mit den Gedanken
verschwinden alle Dinge.

Huang Po (um 850)

20 August 2010

Das Atmen des Universums

Die Liebe
ist der Endzweck der Weltgeschichte
und das Atmen des Universums.

Novalis (1772-1801)

19 August 2010

Wahrheit

Und wenn die Welt
nur noch aus Lügen besteht,
dann wird die Wahrheit
das Einzige sein,
was niemand mehr glaubt.

www.Schwarzwiemilch.de

18 August 2010

Nichts als der Eine Geist

Alle Wesen und alle Erleuchteten sind an sich nichts als der Eine Geist, und alles andere ist nichts. Dieser Geist ist ohne Anfang, ungeboren und unzerstörbar, ohne Form, ohne Erscheinung. Er gehört nicht zu den Dingen, die existieren oder nicht existieren. Er ist weder lang noch kurz, weder groß noch klein, denn er ist jenseits aller Beschränkungen, aller Maßeinheiten, Namen, Spuren und Vergleiche. Es ist das, was immer gegenwärtig ist - aber sobald du Begriffe davon bildest, bist du sofort im Irrtum. Dieser Geist ist unermesslich und unergründlich wie die grenzenlose Leere.

Huang Po (um 850)

17 August 2010

Ans Meer gelangt

Einmal ans Meer gelangt,
sprichst du nicht mehr
von Nebenflüssen.

Hakim Sanai (1072 - 1131) In: Der ummauerte Garten der Wahrheit

16 August 2010

Die Seele...

Die Seele
ist nicht in der Welt,
aber die Welt
in der Seele.

Plotinos (205 - 270)

15 August 2010

Wahrheit

Was nach eigener Erfahrung und Untersuchung mit deiner Vernunft übereinstimmt und zu deinem eigenen Wohle und Heile wie zu dem aller anderen Wesen dient, das nimm als Wahrheit an und lebe danach.

Buddha (ca. 563-483 v. u.Z.)

14 August 2010

Göttliche Liebe

Göttliche Liebe
ist von ganz anderer Qualität
als menschliche Liebe.
Menschliche Liebe
gilt den Vielen im Einen.
Göttliche Liebe
gilt dem Einen in den Vielen.

Meher Baba* (1894 - 1969)

*Einer seiner berühmtesten Jünger ist Pete Townshend, Gitarrist und Songwriter von The Who, der ihm (und dem Komponisten Terry Riley) mit dem Lied Baba O'Riley ein musikalisches Denkmal setzte. Als die Zeitschrift Rolling Stone  einen Text von Pete Townshend (In Love with Meher Baba) über Meher Baba veröffentlichen wollte, machte Townshend die Veröffentlichung davon abhängig, dass die Ausgabe des Rolling Stone mit einem Coverfoto von Meher Baba erschien. Ein weiteres Lied, das seine Philosophie in Noten setzt, ist der Nummer-Eins-Hit Don't Worry, Be Happy von Bobby McFerrin aus dem Jahr 1988. Darin verarbeitete McFerrin die letzten Worte Babas. Sie waren auf Anfang der 1970er Jahre weit verbreiteten Postkarten und Postern in Kalifornien zu finden. (Quelle: Wikipedia)

13 August 2010

Tage des Gutseins

Nun setze ich den Fall, ein Mensch habe hundert Mark; davon verliert er vierzig und behält sechzig. Will der Mensch nun immerfort an die vierzig denken, die er verloren hat, so bleibt er ungetröstet und bekümmert. Wie könnte auch der getröstet sein und ohne Leid, der sich dem Schaden zukehrt und dem Leid und das in sich und sich in es einprägt und es anblickt, und es schaut wiederum ihn an, und er plaudert mit ihm und spricht mit dem Schaden, und der Schaden hinwiederum plaudert mit ihm, und beide schauen sich an von Angesicht zu Angesicht? Wäre es aber so, daß er sich den sechzig Mark zukehrte, die er noch hat, und den vierzig, die verloren sind, den Rücken kehrte und sich in die sechzig versenkte und die von Antlitz zu Antlitz anschaute und mit ihnen plauderte, so würde er sicherlich getröstet. Was etwas ist und gut ist, das vermag zu trösten; was aber weder ist noch gut ist, was nicht mein und mir verloren ist, das muß notwendig Untrost ergeben und Leid und Betrübnis. Darum spricht Salomon: »In den Tagen des Leids vergiß nicht der Tage des Gutseins« (Eccles. 11,27). Das will sagen: Wenn du im Leid und Ungemach bist, so gedenke des Guten und des Gemaches, das du noch hast und behältst. Auch wird das hinwiederum den Menschen trösten, wenn er bedenken will, wie manches Tausend derer lebt, die, wenn sie die sechzig Mark besäßen, die du noch hast, sich für große Männer und Frauen hielten und sich sehr reich dünkten und von Herzen froh wären.

Meister Eckhart (1260 - 1328)

12 August 2010

Aufgeben

Der Weise soll die Schriften erforschen
auf der Suche nach Erkenntnis.
Aber dann soll er sie alle aufgeben
wie die Hülle,
die man vom Reis ablöst.

Amrita Bindu-Upanishad

10 August 2010

Angst vor dem Tod

Wer die Angst vor dem Tode besiegt, der überwindet damit nicht unbedingt die anderen Ängste - im Gegensatz zu dem, was man zu glauben geneigt ist. Einige unter uns haben keine Angst vor dem Tod, fliehen jedoch die geringsten Unannehmlichkeiten des Lebens.

Mahatma Gandhi (1869 - 1948)

09 August 2010

Zeitlose Wahrheit

Oh, Freunde,
rühmt euch nicht
Eures Reichtums,
Eurer Freunde,
Eurer Jugend.
Dies alles wird zerstört
in einem Augenblick.

Suchet die Befreiung
von der Welt der Maya
und verwirklicht
die zeitlose Wahrheit.

Shankaracharya (ca. 788–820)

08 August 2010

Zeit als Hindernis

Die Zeit ist das, was das Licht hindert, zu uns zu dringen. Es gibt kein größeres Hindernis für Gott als die Zeit, und nicht nur die Zeit, sondern Zeitliches, nicht nur zeitliche Bestrebungen, sondern gerade der Makel und der Geruch der Zeit. Nichts hindert die Seele so sehr an der Erkenntnis Gottes wie Zeit und Raum. Zeit und Raum sind Stücke, Gott aber ist eins.

Meister Eckhart (1260-1327)

07 August 2010

Miteinander verbunden

Alle Dinge nah und fern
sind durch eine
unvergängliche Kraft
heimlich miteinander verbunden,
so dass du keine Blume
berühren kannst,
ohne dass dadurch
ein Stern bewegt wird.

Francis Thompson (1859 - 1907)

06 August 2010

Aus Meer des Todes retten

Die aber, denen ich das höchste Ziel bin, die alle Arbeit in Selbstentsagung für mich tun und ihre Meditation mit aufrichtiger Hingabe mir widmen, die will ich schnell aus dem Meer des Todes retten, denn ihr Bewusstsein ist in mich eingegangen.

Baghavad-Gita

05 August 2010

Das Schwierigste

Das Schwierigste ist,
mit sich selbst
im Gespräch zu bleiben.

Elwyn Brooks White (1899 -1985)

04 August 2010

Süße Speise oder sau'rer Brei

Die Zunge
gleicht dem Deckel
auf dem Topf -
Wenn sie bewegt wird,
weißt du,
was da kocht.
Denn aus dem Dampf
spürt der Gescheite gleich,
ob's süße Speise ist,
ob sau'rer Brei.

Rumi (1207-1273)

03 August 2010

Komm, wer immer Du bist

Komm nur, ja komm nur, wer immer Du bist;
Sucher, Verehrer, Freund des Verlassens.

Es ist kein Problem, was es auch ist,
mit  Zweifeln müssen wir uns nicht befassen.

Du hast Eide gebrochen?
Und das tausendmal?
Auch dann komme wieder, beginne noch einmal.

Rumi (1207-1273)

02 August 2010

Seins-Modus

Die Voraussetzungen für den Seinsmodus sind Unabhängigkeit, Freiheit und das Vorhandensein kritischer Vernunft. Sein wesentlichstes Merkmal ist die Aktivität, nicht im Sinne von Geschäftigkeit, sondern im Sinne innerer Aktivität, dem produktiven Gebrauch menschlicher Fähigkeiten, Sein heißt, seinen Anlagen, seinen Talenten, dem Reichtum menschlicher Gaben Ausdruck zu verleihen, mit denen jeder - wenn auch in verschiedenem Maß - ausgestattet ist.
Es bedeutet, sich selbst zu erneuern, zu wachsen, sich zu verströmen, zu lieben, das Gefängnis des eigenen isolierten Ichs zu transzendieren, sich zu interessieren, zu geben.
Keines dieser Erlebnisse ist jedoch vollständig in Worten wiederzugeben. Worte sind Gefäße, die wir mit Erlebnissen füllen, doch diese quellen über das Gefäß hinaus. Worte weisen auf Erleben hin, sie sind nicht mit diesem identisch.

Erich Fromm (1900 - 1930)

01 August 2010

Essenz der Meditation

Die meisten Menschen kennen immer noch nicht die Essenz der Meditationspraxis. Sie halten Geh-Meditation, Meditation im Sitzen und das Anhören von Dhamma-Vorträgen für die Praxis. Das stimmt auch, aber diese sind nur die äußeren Formen der Praxis.
Die wirkliche Praxis findet statt, wenn der Geist einem Sinnesobjekt begegnet. Das ist genau die Stelle, an der man praktiziert, nämlich dort, wo Sinneskontakt auftritt. Wenn die Leute Dinge sagen, die wir nicht mögen, dann ärgern wir uns; Sagen sie hingegen Dinge, die wir mögen, dann finden wir das angenehm. Genau dort ist unser Ort der Praxis.
Auf welche Weise praktizieren wir nun mit diesen Dingen? Das ist der entscheidende Punkt. Wenn wir nur herumrennen, um das Glück zu jagen und uns ständig vom Leiden abzuwenden, dann können wir bis an unser Lebensende praktizieren, und wir werden niemals Dhamma sehen.

Ajahn Chah (1918 - 1992)