27 November 2005

Sannyasin: Offenheit allem gegenüber

Ein Sannyasin wird nicht eher entscheiden, als bis er erfahren hat. Er hat keine Glaubenssysteme. Er wird nicht sagen: "Dies ist so, weil die Bibel es sagt." Er wird nicht sagen: "Dies ist so, weil Buddha es sagt." Er wird sagen: "Ich werde da reingehen und nachschauen, ob es so ist oder nicht."
Ein Sannyasin wird nicht viele Überzeugungen mitführen. Genauer gesagt: keine. Er wird nur seine eigenen Erfahrungen mitführen. Und das Schöne an einer Erfahrung ist, dass die Erfahrung immer offen ist; denn für sie ist weiteres Nachforschen möglich, während ein Glaube immer schon abgeschlossen, beim Schluss-Strich angelangt ist.
Offenheit heißt Nichtdenken. Offenheit heißt, du lässt deine Gedanken beiseite und bist bereit, dir das Leben immer wieder aufs Neue anzusehen. Nicht mit den alten Augen. Wenn du durch das Nichtdenken schaust, ist deine Wahrnehmung intakt, denn dann siehst du das, was ist. Und Wahrheit befreit; alles andere erzeugt eine Fessel.
In solchen Momenten des Nichtdenkens beginnt die Wahrheit zu dir durchzusickern wie Licht. Je mehr du dieses Licht, diese Wahrheit genießt, desto mehr wirst du fähig und mutig, deine Gedanken fallen zu lassen. Früher oder später kommt ein Tag, wo du hinschaust, und du hast keine Gedanken. Du hältst nicht nach etwas Ausschau, du schaust einfach nur. Dein Schauen ist rein. Der Sannyasin lebt eine Offenheit allem gegenüber.

Osho (1931 - 1990)