21 August 2009

In der Mitte

Wenn man genau untersucht, aus was dieses "Ich”, dieses Ego besteht, findet man eine Ansammlung von Geschichten, Gedanken, Vorstellungen, Gefühlen und ein paar Milliarden Zellen. Und all das ändert sich ständig. Gedanken kommen und gehen. Vorstellungen wandeln sich, Gefühle sind unbeständig wie Wolken am Himmel, und der Körper ist in ständigem Wandel begriffen, bis er irgendwann stirbt. Das Ganze wird scheinbar zusammengehalten von dem Gedanken "ich”. Dieser Gedanke, diese Vorstellung von "ich” als einer getrennten Person scheint sehr real und stabil zu sein. Diese scheinbare Stabilität besteht jedoch nur an der Oberfläche. Sobald man wirklich tief und rücksichtslos nachforscht, findet man nichts.

Dieses Nichts macht Angst und deshalb sind wir ständig auf der Ego-Baustelle zugange, verstärken hier, verbessern da, um dieses Haus, das in Wahrheit so wenig existiert wie des Kaisers neue Kleider, vor dem Einsturz zu bewahren. Und da es in Wahrheit nur eine Fiktion ist, ist ständige Anstrengung notwendig, es aufrecht zu erhalten.
Das Ego ist weder gut noch schlecht, es ist nur eine Vorstellung. Diese Vorstellung wird genährt von der Angst, dem zu begegnen, was ist und wird genährt vom Kampf. Jeder Wunsch und jede Ablehnung bedeutet zugleich eine Abtrennung und verfestigt die Vorstellung von "ich”, führt somit zu neuem Leiden. Sie ist wie ein dicker Filter, wie eine harte Schale, die die Wahrheit unseres Selbst verhüllt. Auch die Ablehnung des Ego, der Kampf gegen das Ego führt zu nichts anderem. Das Zauberwort heißt "Ja”, heißt Hingabe, heißt Akzeptanz dessen was ist. Und genau hier, genau jetzt ist das größte Wunder möglich: zu entdecken, dass in der Mitte von allem nichts ist als reines Sein, die Wahrheit unseres Selbst - überfließend, niemandem gehörend, das Wesen von allem, jedes Sterns, jedes Lebewesens - nichts ausschließend, alles einschließend - keine Trennung. kein Ich, kein Du. keine Person. Nur an der Oberfläche scheinen Personen, Egos und Identitäten zu existieren. Hier, ganz in der Mitte verschwindet all das.

Pyar Rauch (*1960)